Im Führungsalltag sieht man das ganze Spektrum: von Führung mit guter Klarheit bis zu Führung, die vieles im Unklaren lässt – bewusst und unbewusst. Unklarheit kann auch „kultiviert“ werden und so von i.d.R. schwachen, aber machtbewussten Menschen zu einem Machtinstrument gemacht werden. Die Auswirkungen können mitunter allerdings weniger toll sein ……

Klarheit erachte ich als eine persönliche Eigenschaft, mit der man die Essenz von Situationen, Konstellation, Menschen, Teams, Strategien wahrnehmen kann.

Führung gelingt am einfachsten, wenn du eine authentische Persönlichkeit bist. Ohne (innere) Klarheit wirst du nie authentisch sein. Klarheit ist ein Element von Wahrheit. Merkmal von Wahrheit (und damit auch von Klarheit) ist Einfachheit. Einfachheit ist die Essenz dieser Welt: Der Verstand und die Emotionen machen sie komplex und verworren und produzieren den Nebel, der sich vor die Klarheit (und damit vor die Wahrheit) legt. Wir werden erst am Schluss dieser Ausführungen auf diesen Themenbereich zurückkommen und zunächst andere Elemente besprechen, welche schrittweise zu mehr Klarheit führen werden.

Die nachstehende Grafik zeigt die Struktur meiner nachstehenden Ausführungen.


Die Grundvoraussetzung

Für alle nachfolgend skizzierten möglichen Schritte ist es unabdingbar, dass du über eine genügende Selbstreflektion und Lernfähigkeit/-wille verfügst. Und nicht vergessen: Die Hirnforscher haben herausgefunden, dass unser Hirn dann effizient neue Verknüpfungen bildet, wenn man mit Begeisterung lernt.


Die Führungsleistung systematisch verbessern

Wie kannst du deine Lernfähigkeit in Sachen Führung beschleunigen? Indem du systematisch Rückschau hälst und deine Führungsarbeit analysierst. Zur Vermeidung von Selbstüberschätzung und von blinden Flecken (das sind Themen, welche du umschiffst, weil du nicht hinsehen willst) ist eine «neutrale» Unterstützung in dieser Frage hilfreich. Mache dir täglich folgende Notizen:

  • Wo war ich klar.
  • Wo war ich unklar und unbestimmt.
  • Was macht das mit mir, wenn ich unklar bin.
  • Warum war ich unklar.
  • Welches sind die Auswirkungen dieser Unklarheiten. Ist das im Nachhinein akzeptabel für mich oder nicht?

Ich empfehle ein monatliches Resümee und die Formulierung von Massnahmen. Überlege dir intensiv, wie du diese Erkenntnisse in deinen Führungsalltag integrierst, insbesondere auch in die Vorbereitung und Durchführung von weiteren Meetings mit deinen Stakeholdern.

Bereite Dich auf Meetings und Präsentationen seriös vor und plane die neuralgischen Punkte, bei denen Klarheit entscheidend ist.


Die Führungsrolle ausfüllen

Die folgenden Fragen sind zu bearbeiten:

  • Was ist genau meine Rolle?
  • Was sind die Erwartungen der Stakeholder an mich (Vorgesetzte, Geführte, Gleichgestellte, Kunden, Lieferanten etc.)?
  • Wie gedenke ich diese Erwartungen in welcher Art und Weise zu erfüllen respektive teilweise bewusst nicht zu erfüllen?
  • Was heisst es für mich, diese Rolle auszufüllen aufgrund meines derzeitigen Fähigkeits- und Persönlichkeitsprofils?
  • Was sind meine Führungsaufgaben? Wie führe ich Direktunterstellte und manage Ergebnisse und wie führe ich horizontal und schaffe so Raum für neue Entwicklungen in meinem Führungsbereich?
  • Frage Dich auch, warum Du bei dieser Organisation arbeitest und in dieser Führungsposition bist. Was hat das mit Deiner persönlichen Biografie/Entwicklung zu tun? Erfolgt ein Betrag zur deiner persönlichen (Lebens-) Sinnfrage?
  • Nehme ich die Rolle auch wirklich an (bewusst und unbewusst)? Es kann z.B. sein, dass Du die Rolle nicht annimmst, weil du dir diese unbewusst gar nicht zutraust.

Meine Empfehlung ist, diese Reflexion schriftlich auszuarbeiten.


Grundlegende Kompetenzlücken schliessen

Kompetenz gibt Sicherheit und damit auch eine gewisse Klarheit in der Führungsarbeit. Dazu nur wenige Stichworte:

  • Kennst du die gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen Deines Unternehmens?
  • Hast du genügend Fachkompetenz für deine Führungsarbeit?
  • Ist die Branchenkompetenz deiner Position angemessen?
  • Verfügst du über genügend Markt- und Kundenkenntnisse?
  • …..

Mache eine Lagebeurteilung, priorisiere klar und formuliere Massnahmen mit einem Terminplan.


Schaffe Zielklarheit in deiner Organisation

Gute formulierte Ziele erhöhen die Klarheit,

  • wenn sie als Ziele und nicht als Massnahmen formuliert werden,
  • wenn sie als erwartete Zustände in einem bestimmten Zeitpunkt beschrieben werden,
  • wenn sie aus übergeordneten Zielen abgeleitet sind (Vision → strategische Initiativen → Ziele),
  • wenn sie der Erreichung der strategischen Initiativen dienen,
  • wenn man generische Ziele formuliert, denn diese sind langfristig gültig, im Gegensatz zu Strategien (Wege zu Zielen) und Massnahmen, welche häufig wechseln, und
  • wenn die Ziele von den relevanten Stakeholdern mitformuliert und mitgetragen werden,
  • wenn sie ins Unterbewusste der Führungskräfte Eingang gefunden haben, denn das Unbewusste hilft 24 Stunden am Tag, Ziele zu erreichen.

Ein Muster für eine 2-dimensionale Zieltabelle für einen Geschäftsführer findest Du hier.


Klarheit in der Wahrnehmung von Menschen

Für eine Führungskraft gibt es nichts Wichtigeres als Menschen (Mitarbeitende, Kunden und andere Stakeholder) gut einschätzen und wahrnehmen zu können. Menschenkenntnis heisst zunächst, sich selber kennen und einschätzen zu können. Eine professionelle Vertiefung dieses Themas geht über den Zweck dieser Zeilen hinaus. Dazu habe ich ein separates Paper formuliert, das zu einem später Zeitpunkt auf diesem Blog veröffentlicht wird.

Was ich hier empfehle, ist folgendes zu tun: Mache eine einfache Beschreibung der wichtigsten Stakeholders. Halte fest, was diese motiviert respektive demotiviert und wie man deren Vertrauen gewinnen und halten kann und wo sie Unterstützung von dir oder der Organisation benötigen.

Als Übergang zum letzten Thema ein Zitat von Warren Bennis („On Becoming a Leader“):

„True leaders are not born, but made, and usual self made. Leaders invent themselves. Deploing character and vision is a way they invent themselves. Leaders have nothing but themselves to work with. Writing is the most profound way of codifying your thoughts, the best way of learn for your selve, who you are and what you believe. People begin to become leaders at the moment, when they decide for themselves how to be. You are your own best teacher.

Die innere Klarheit entwickeln

Wie bereits aus den Ausführungen der Einleitung ersichtlich ist, führt der Weg zu mehr Klarheit nicht nur über nur mehr Wissen und Kompetenz, wie oben beschrieben wurde. Vielmehr sind grosse Schritte in der Klarheit nur über eine innere Transformation zu erreichen, welche den Nebel, der durch den Verstand und die Emotionen verursacht wird, lichtet oder gar ganz auflöst. Damit tritt dein wahres Selbst hervor und du bist zu einer authentischen Persönlichkeit gereift. So ein Prozess braucht Zeit, den die „Marschgeschwindigkeit der Seele“ ist gering. Das Resultat ist nicht nur innere Klarheit, sondern auch ein höherer Selbstwert (nicht Selbstvertrauen, den das ist die Ego-Kompensation eines schwachen Selbstwertes).

Den Verstand beruhigen

Hast du dir auch schon überlegt, wie viele Gedanken dein Verstand produziert, wenn du 10 Minuten zur Arbeit oder zum Bahnhof läufst? Dein Verstand produziert ununterbrochen einen Gedankenstrom und beschäftigt sich mit der Vergangenheit und der Zukunft. Das meiste ist sinnlos und hat für dich keinen Mehrwert. Im Gegenteil: Du wirst von deinem Verstand dominiert und absorbiert. All diese Gedankenströme finden nicht im JETZT statt. Klarheit findet aber im gegenwärtigen Augenblick, im JETZT, statt, ohne den Verstand. Zu einem beruhigten Verstand kommt man über Konzentration und Meditation. (Bisher sind mir in meinem Leben keine anderen Techniken begegnet.) Was sind die Ziele von Konzentration und Meditation?

  • Nicht vom nach aussen gerichteten Verstand (ICH-Gedanke, EGO) dominiert sein
  • Den Verstand durch nach innen richten beruhigen (ICH BIN)
  • Bewusster leben können
  • Weniger Stress haben
  • Die Balance finden zwischen Ruhe und Aktion oder anders ausgedrückt zwischen SEIN und TUN
  • Ein beruhigter Verstand öffnet einen Raum aus dem sich echte Intuition entwickeln wird
  • Innerlich freier werden.

Zu diesem Thema werde ich zu einem späteren Zeitpunkt einen separaten Text auf diesem Blog veröffentlichen.

Emotionen bearbeiten und auflösen 

Was ist denn überhaupt der Unterschied zwischen Gefühlen und Emotionen? In der Praxis gibt es keine einheitliche Abgrenzung. Für unsere Zwecke ist es hilfreich, die folgende Definition zu verwenden. Unter Gefühlen werden in diesem Paper reine Gefühle verstanden wie Liebe, Freude und Mitgefühl, welche direkt aus deinem wahren Selbst aufsteigen und nicht an Bedingungen geknüpft sind. Bedingungslosigkeit für Liebe bedeutet zum Beispiel, dass Liebe nicht entzogen wird, wenn der andere etwas macht, was einem nicht passt, selbst dann nicht, wenn der andere ein schweres Verbrechen begeht.

Auch die Emotionen sind Teil deiner Gefühlswelt. Es gibt angenehme Emotionen wie zum Beispiel begeistert sein, überglücklich sein und so fort, und es gibt unangenehme Emotionen wie wütend, ängstlich, traurig oder hassend sein und usw. Um letztere geht es in diesen Ausführungen.

Emotionen können sehr hartnäckig sein, dich dein Leben lang begleiten und dir das Gefühl geben, nicht voran zu kommen, denn Emotionen laufen als automatische Programme ab, wenn sie angetriggertwerden – ähnlich einem Virenprogramm, das übers Internet auf deinen Computer eingeschleust wurde und so programmiert ist, dass es unter bestimmten Konstellationen aktiv wird um zum Beispiel deine Daten zu löschen. Emotionen können angetriggert werden durch Interaktionen mit einer anderen Person (körperlicher oder verbaler Art), welche Ängste, Ärger oder Traurigkeit etc. auslösen können. So kann ein gut gemeinter Satz auch einen Wutausbruch deinerseits hervorrufen. Ein anderes Beispiel: Im Fernseher wird ein Flüchtlingsdrama gezeigt und du fällst in tiefe Traurigkeit oder du kriegst Existenzangst.

Du hast grundsätzlich die folgenden Möglichkeiten mit Deinen Emotionen umzugehen:

  • Du bringst Dich in Sicherheit: es ist eh sinnlos, ich will jetzt nicht;
  • Du verdrängst, indem Du so tust, wie wenn nichts wäre;
  • Du bist bereit der Emotion die Energie zu nehmen und sie aufzulösen, indem Du Ihr Raum gibst und sie fühlst gemäss nachstehendem Abschnitt.

Emotionen können durch Fühlen losgelassen werden, indem du die Emotion – ohne sich mit ihr zu identifizieren – fühlst. Verweile mit der Emotion so lange, bis sie schwächer wird oder ganz verschwindet. Nicht identifizieren heisst, dass du dir im Moment des Fühlens bewusst bist, dass Du die Emotion jetzt fühlst. Bleibe beim Fühlen strikte im „Jetzt“: die Gegenwart ist der sicherste Ort, den du hast. Hier gibt es keine Vergangenheit, also keine Retraumatisierung und auch keine Spekulation auf die Zukunft und damit auch keine Panik. Damit verzichtest du auf Bewertung, Beurteilung und Theoriebildung.

Wenn du wieder in eine Situation gerätst, in der die gleiche Emotion angetriggert wird, so verfährst du genau gleich. Mit der Zeit verschwindet die Emotion immer mehr. Du musst nicht sofort ins Fühlen der Emotion gehen, wenn sie erscheint. Du kannst sie auch am Abend fühlen, wenn du ungestört bist.


Zusammenfassung

Schon der Umfang diese Betrages, wie auch die breiten, möglichen Ansatzpunkte zeigen, dass viele Aspekte Einfluss auf deine Klarheit haben. Ein guter Gradmesser für Klarheit ist, wenn du als Führungskraft an eine Situation kommst und du:

  • intuitiv spürst, um was es hier geht und um was nicht (sachlich und menschlich),
  • durch gezielte, wertschätzende Fragen das Wesentliche auf einer höheren Ebene herausarbeiten kannst (1),
  • daraus das Richtige in angemessener Art und Weise in die Wege leitest.

Mit solcher auf Klarheit basierender Führungsarbeit wird der Aufbau von nachhaltigem Vertrauen bei allen Stakeholdern gelingen (zum Thema nachhaltiges Vertrauen siehe separater Beitrag hier).

(1) Auch das ist ein spannendes und wichtiges Thema, zudem ich mich in einem späteren Blogbeitrag äussern werde.