Sich gestressed, unter Druck oder überfordert fühlen ist ein Phänomen, welches nicht nur, aber insbesondere auch, bei Führungskräften weit verbreitet ist. In extremen Fällen kann dies zu Burnout führen. Druck und Überforderungssituationen sind ein typisches Zeichen, dass sich diese Person gerade auf der DU-Ebene[1] der Persönlichkeitsentfaltung befindet (Abb 1). Sofern das nur kurzzeitig der Fall ist und die übrige Zeit diese Person auf ihrer normalen dominierenden Ebene – der ICH- oder der WIR-Ebene – lebt, ist das nicht so schlimm.
Je länger der «Aufenthalt» auf der DU-Ebene andauert, desto mehr ist man gefordert, da wieder herauszukommen. Ist man täglich lange im Druck- oder Überforderungsmodus, wird die DU-Ebene zur dominierenden Ebene, in welcher Negativität dominiert. Die Person ist fast dauernd im Stressmodus. Der Körper wird mit Stresshormonen wie Adrenalin und Cortisol geflutet, was unter anderem das Immunsystem schwächt und bald weitere, gesundheitlich negative Folgen haben wird. Das persönliche Potenzial an Kreativität, Inspiration und Intuition kann in diesem Modus nicht mehr genutzt werden.
Wie befreit man sich aus einer solchen Situation? Darüber wollen wir uns im folgenden Gedanken machen. Wir beschränken uns auf Fälle, wo jemand noch klar und deutlich Sätze wie «Ja, ich will eine Änderung» oder «Ja, ich nehme Unterstützung an.» sagen kann, wo also die Menschen noch über Eigenmacht verfügen, was bei schwerem Burnout nicht mehr der der Fall ist.
Ausgangslage
Wir beginnen mit einer kurzen Beschreibung von Druck- und Überforderungssituationen.
- Du fühlst dich von der Situation und/oder einer Person unter Druck gesetzt. Das Gefühl der Überforderung meldet sich. Sätze wie «Ich muss alles alleine machen.» oder «Niemand unterstützt mich.» oder «Ich schaffe es nicht mehr.» kommen hoch.
- Das Gefühl des Müssens wird immer grösser. Viele solche «Müssens» erzeugen enormen Druck. «Ich muss um 17h00 das Angebot abgeben.» « Ich muss unbedingt noch mit XY sprechen.» «Ich muss XY noch diese Woche eine Antwort auf sein Memo schrieben.» «Ich muss meiner Partnerin noch Blumen kaufen.»
- Du zeigst negative Emotionen wie Fluchen und Ausrufen, du musst Druck ablassen.
- Du bekommst Angst, es nicht (mehr) zu schaffen, oder gar Angst, nicht gut genug zu sein.
- Vielleicht hast du einen Fluchtimpuls, abzuhauen und all diese Belastungen hinter dir zu lassen.
- Du gibst den Druck weiter, indem du selber auf andere Druck ausübst.
- Du kompensierst den Druck, indem du z.B. Unmengen von Kaffee trinkst oder dich mit Süssigkeiten belohnst; Alkohol ist eine beliebte «Belohnung» in solchen Situationen.
Wenn du Druck- und Überforderungssituationen kennst, dann kommen dir solche oder ähnliche Reaktionsmuster sicher bekannt vor.
Ist der Druck gering, kann das zu einem positiven Einfluss auf die Arbeit führen (kreativer Druck). Wir der Druck jedoch als Belastung empfunden, so kann das einen negativen Einfluss auf deine Konzentrationsfähigkeit und deinen Output haben. Du wirst vielleicht dünnhäutig, was sich negativ auf die Zusammenarbeit mit anderen auswirken kann, je nachdem, wie die Reaktion der anderen auf deine Dünnhäutigkeit ist.
Was sind die Gründe für Druck, Stress und Überforderung
Wir müssen zwischen den Gründen unterscheiden, die bei dir selber liegen und solchen, die von aussen kommen.
Bei dir selber können die folgenden Faktoren relevant sein.
- Du bist sehr ehrgeizig und setzt deshalb die Messlatte, deine Ziele zu hoch an. Möglicherweise hat das auch mit Selbstüberschätzung zu tun.
- Du kannst dich nicht so gut abgrenzen, kannst nicht Nein sagen, willst es allen recht machen und überforderst dich so selber.
- Du bist sensibel und empfindsam, aber nicht bewusst genug, um dies zu sehen und dir selber Grenzen zu setzen.
- Dein Antreiber ist der innere Perfektionist, welcher dich in die Überforderung treibt.
- Es fehlt an Gelassenheit und innerer Ruhe.
Bei den äusseren Gründen gibt es ein Bündel von Möglichkeiten. Beginnen wir mit denen am Arbeitsplatz.
- Die Organisation dimensioniert die Ressourcen in Bezug auf die anfallende Arbeit zu gering, oder in der Summe werden zwar genügend Ressourcen da, aber die Verteilung der Arbeit stimmt nicht.
- Die Unternehmenskultur ist einseitig auf Leistung und Leistungsdruck ausgerichtet.
- Dein Vorgesetzter führt mit Druck und Kontrolle.
- Das Betriebsklima ist schlecht und es gibt kein angemessenes Miteinander, man zieht nicht am gleichen Strick.
- Du machst irgendeinen Job anstelle einer Arbeit, die du gerne tun würdest.
Auch private Situationen spielen eine Rolle.
- Die Doppelbelastung von Beruf und Familie ist speziell für Alleinerziehende sehr anspruchsvoll.
- Eheprobleme oder Probleme zu nahestehenden Personen können sehr belastend sein.
- Finanzielle Sorgen, schlechte Perspektiven, Schicksalsschläge oder unheilbare Krankheiten lähmen einen auf breiter Ebene.
Die meisten Menschen neigen dazu, die Probleme nicht primär bei sich zu sehen, sondern in aussen herrschenden Umständen. Das mag in Einzelfällen so sein, aber in der Regel gilt folgendes:
- Man ist in einer Situation, weil man dazu eine Affinität/Resonanz hat.
- Das eigene Innenleben, auf dem unser Verhalten basiert, kann man immer ändern, was im Aussen meist wesentlich anspruchsvoller ist.
Wir werden uns nun unseren Handlungsoptionen zuwenden, zunächst den kurzfristig wirkenden, und danach den nachhaltigen, längerfristigen und anspruchsvolleren.
Kurzfristig wirkende Handlungen
Ziel dieser Massnahmen ist es, sich rasch Luft zu verschaffen, damit dem Druckgefühl und der Überforderung die Schärfe genommen werden kann.
- Den Druck überhaupt spüren, wahrnehmen und zulassen: Sich bewusst werden, dass man unter Druck, Stress und/oder Überforderung steht.
- Die Selbstkontrolle wieder gewinnen und halten: Tief durchatmen, sich spüren. Ein Selbstgespräch führen in der dritten Person, besprich deine Situation mit dir selber. Bring dich mit einer Meditation in deine Ruhe; dazu geeignet ist z.B. die Kohärenzmeditation[2]. Mach diese Meditation morgens, mittags und abends, also alle fünf bis sechs Stunden. Auf dieser Basis machst du ohne Hektik eins ums andere.
- Regelmässig Zeit für sich haben und sich entspannen: Bewusst Pausen machen, genügend schlafen. Regelmässiges Spazieren in der Natur. Entspannungsübungen wie Yoga oder Meditation,
- Dein Zeitmanagement verbessern: Die Perfektion reduzieren, die Aufgaben reduzieren, zeitlich staffeln und die Delegation verbessern. Mit dem Vorgesetzten die Arbeitssituation besprechen, damit allenfalls Aufgaben mindestens temporär neu aufgeteilt werden können. Konsultiere ein Zeitmanagement-Buch für das Finden weiterer Möglichkeiten, dich selber besser zu organisieren.
Das Problem des unter Druck respektive überfordert sein an der Wurzel lösen
Dazu musst du bereit sein, über eine längere Zeit intensiv an dir zu arbeiten. Eine Begleitung durch einen Coach oder in schwereren Fällen durch eine(n) Therapeuten/In kann sehr viel bringen.
- Lass dich von wachstumsfördernden Prinzipien leiten: Wie bereits weiter vorne ausgeführt, fällst du bei starken Drucksituationen und Überforderungen auf die Du-Ebene zurück. Das ist die Ebene der Negativität. Mit anderen Worten, du siehst dich und deine Arbeitssituation negativ. Auf der Basis der wachstumsfördernden Prinzipien lernst du, in jeder Situation, in der du gerade bist, die positiven Aspekte zu sehen. Das ist das, was du aus der Situation lernen kannst. In meinem Buch «Leadership für ein besseres Morgen» sind diese Prinzipien beschrieben, die dir helfen, die Negativität hinter dir zu lassen und eine positive, wachstumsfördernde innere Welt anzunehmen. Wenn du wenig Zeit hast, musst du dazu nicht das gesamte Buch lesen. Lies die Kapitel 4.1.1 und 4.1.2 und mache die Übungen zu den Muss-Sätzen, die dort enthalten sind. Dann kannst du direkt zu Kapitel 9.1 weitergehen und die Prinzipien inklusive der Übungen durcharbeiten.
- Deine Konditionierungen, Emotionen und Glaubenssätze auflösen: Schritt 1 wird dich zu einer generell positiveren Innenwelt führen, aber die richtig hartnäckigen Muster und Emotionen, die dein Wohlbefinden unterbrechen, sind noch immer da und müssen separat bearbeitet werden. Stell dir die Frage, ob du in deiner Kindheit unter Druck gesetzt wurdest und/oder ob eine überfordernde Erwartungshaltung herrschte. Vielleicht wurde dir auch das Gefühl, nicht gut genug zu sein, vermittelt. Was immer es genau ist, wenn du Resonanz zu diesen Themen hast, kläre deine Beziehung zu deinen Eltern/Erziehenden. Wenn du dich aktuell durch eine Person unter Druck gesetzt fühlst (z.B. deinen Chef), dann dürfte eine Eltern-Kind-Interaktion zwischen dir und dieser Person stattfinden, die du mit einem «bewussten-ich-Prozess» auflösen kannst[3]. Ich empfehle dir dazu, professionelle, externe Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Nun kommen wir zum Schluss zu deinen (negativen) Emotionen. Das sind einmal die Ängste, nicht gut genug zu sein, nicht genug Geld zu haben, sich nicht frei äussern zu können etc. Dazu gehören aber auch Wut und Ärger, Trauer, Hass etc. Es gibt verschiedene Methoden, wie man solche Emotionen auflösen kann. Wir behandeln an dieser Stelle nur das Loslassen der Emotionen durch Fühlen[4]. Emotionen können durch Fühlen losgelassen werden, indem die Emotion – ohne sich mit ihr zu identifizieren – gefühlt wird. Verweile mit der Emotion so lange, bis sie schwächer wird oder ganz verschwindet. Nicht mit ihr identifizieren bedeutet, dass du dir im Moment des Fühlens bewusst bist, dass du die Emotion jetzt nur fühlst. Bleibe beim Fühlen strikte im «Jetzt», denn die Gegenwart ist der sicherste Ort, den du hast. Hier gibt es keine Vergangenheit, also keine Retraumatisierung, und auch keine Spekulation auf die Zukunft und damit auch keine Panik. Somit verzichtest du auf Bewertung, Beurteilung und Theoriebildung durch den Verstand.
Wenn du in eine Situation gerätst, in der die gleiche Emotion angetriggert wird, so verfährst du genau gleich. Mit der Zeit verschwindet die Emotion immer mehr. Du musst nicht sofort ins Fühlen der Emotion gehen, wenn sie erscheint. Du kannst sie auch am Abend fühlen, wenn du ungestört bist.
Was du aber nicht tun solltest, ist folgendes: Du darfst die Emotion nicht durchfühlen (was oft geraten wird). Durchfühlen bedeutet, sich identifizieren, ganz darin zu versinken, was bedeutet, dass dabei dein «Ich» verschwindet. Es bestünde deshalb auch die Gefahr einer Retraumatisierung. Das Durchfühlen ist somit ein Verstoss gegen die Regel, im «Jetzt» zu bleiben, während du fühlst[5].
Nehmen wir zum Abschluss noch den weiter vorne kurz angesprochenen Perfektionisten ins Visier. Perfekt sein zu wollen ist ein kompensatorisches Verhalten von Ängsten. Du musst also nach den hinter dem Perfektionisten liegenden Ängsten suchen und diese durch Fühlen schrittweise auflösen. Man ist vielleicht Perfektionist, weil man die Angst «nicht gut genug sein» unbewusst überdeckt. Diese Angst muss man mit Fühlen auflösen.
Bei diesem Überblick möchte ich es bewenden lassen. Wie wir im letzten Abschnitt gesehen haben, werden die Dinge immer komplizierter und es bedarf einer eingehenden Selbstreflektion, um seine Emotionen, Glaubenssätze und Konditionierungen aufspüren zu können. Das ist ein Prozess und benötigt Zeit. Nimm es in Angriff und lass dich extern unterstützen. Deine Lebensqualität und deine Gesundheit werden einen neuen Level erreichen.
[1] Siehe ausführlich «Leadership für ein bessere Morgen», Seite 20ff
[2] «Leadership für eine bessere Morgen», Seite 131f
[3] «Leadership für eine bessere Morgen», Seite 124f
[4] «Leadership für eine bessere Morgen», Seite 143ff
[5] «Leadership für eine bessere Morgen», Seite 145
Literatur: Urs Mantel, Leadership für ein besseres Morgen, Versusverlag, Zürich.
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