In der vergangenen Zeit sind mir zwei Mal «asshole» statements begegnet.

The «No Asshole-Rule» von Robert Sutton

Sutton ist Professor an der Standford University. Als asshole bezeichnet er machtorientierte Manager oder Narzissten, die in Führungspositionen sind oder dahin wollen. Mit der «No Asshole Rule» sollen solche ManagerInnen aus Führungspositionen entfernt werden resp. nicht dorthin berufen werden[1]. Also: Arschlöcher sind für Sutton sehr machtorientierte Führungskräfte oder Narzissten.

«Vote the assholes out» von Patagonia-Gründer Yvon Chouinard
Chouinard ist der Gründer der nachhaltigen Outdoorbekleidungs-Firma Patagonia. Mit seiner Kampagne «vote the assholes out» (Patagoniakleider haben diesen Ausdruck als Etikette eingenäht) ruft er dazu auf, PolitikerInnen nicht mehr zu wählen, die glauben, man sollte nichts oder nur wenig gegen den Klimawandel unternehmen[2]. Arschlöcher sind somit PolitikerInnen, die nichts oder nur wenig gegen den Klimawandel unternehmen.

Was steht denn auf der positiven Seite diesen Arschlöchern gegenüber? Bei Sutton vielleicht Menschen, die dienend führen können? Bei Chouinard PolitikerInnen, die progressive Klimapolitik betreiben. Beide schaffen mit der Wortwahl eine starke Polarität, eine scharfe Trennung zwischen Gut und Böse, zwischen genehm und nicht genehm. Das erinnert an George W. Bushs Kampf gegen den Terror, gegen das Böse. Und er hat den Terror in der Welt vervielfacht statt reduziert. Der Kampf gegen etwas, gegen ein Symptom, ist eine Verlierer-Strategie, weil man eine Polarität schafft und diese verstärkt. Jawohl, der Pol Arschloch wird verstärkt und nicht aus der Welt geschafft. Es werden neue, starke Resonanzen zu den sogenannten Arschlöchern geschaffen und diese gestärkt, weil man ihnen Aufmerksamkeit gibt. Und Energie folgt der Aufmerksamtkeit.

Einstein sagte einst – man könne ein Problem nicht auf derselben Ebene lösen, auf der es entstanden ist. Die Anti-Arschloch-Kampagnen machen genau das. Es ist die Antwort für ein Ego-Problem (Narzissten, Machtorientierte) auf der gleichen Ebene, nämlich der Ego-Ebene. Es ist eine unachtsame Abqualifizierung von anderen Menschen. Das  schafft und verstärkt Polaritäten, manchmal bis zu einem unangenehmen Kurzschluss, dem Kollaps der Polarität.Man macht die Welt nicht zu einem besseren Ort, indem man nicht zukunftsfähige ManagerInnen und PolitikerInnen zu Arschlöchern abqualifiziert. Das Gegenteil tritt ein. Man macht so die Welt zu einem schlechteren Ort.

Die Lösung liegt in einer bewussten Reduktion von Polaritäten. Die Antwort muss jenseits der Ego-Ebene auf einer höheren Ebene des Bewusstseins gegeben werden. Zunächst müsste der Tatsache, dass es Menschen mit Machtanspruch und narzisstischem Verhalten gibt, anerkannt werden. Ja, es ist so, es ist eine nicht so seltene Realität auf den Führungsetagen. Diese Menschen sind Teil unserer Welt und verdienen als Menschen ebenfalls unsere Wertschätzung. Ich würde noch einen Schritt weitergehen: sie verdienen unser Mitgefühl (einige von denen hatten keine einfache Sozialisierung hinter sich). Das führt zu einer ganz anderen innere Haltung und führt ganz natürlich dazu Menschen, die zu dienender Führung fähig sind, in Wirtschaft und Politik, den Vorzug zu geben und diese zu fördern.

Die Energien werden hin zu Wachstum gelenkt. Damit werden  keine Menschen ausgegrenzt. Wir schaffen damit Resonanzen und Kraft zur gewünschten Seite, nämlich zur dienenden Führung resp. zu im Sinne unseres Planeten handelnden PolitikerInnen im Falle von Patagonia. Wer hinspürt, wird sofort merken, dass beim Begriff dienender Führung – in Politik und Wirtschaft – eine viel positivere, zukunftsfähigere und stärkere Energie am Werk ist, als im Falle der Abqualifizierung zu Arschlöchern.

[1] Gelesen in einem Post von Prof. Antoinette Weibel bei LinkedIn Mitte September 2020

[2]  https://www.onepercentfortheplanet.org/stories/a-letter-from-yvon-chouinard